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1. Wenn der Erhalt der Gebäudesubstanz gefährdet ist, ist die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, das gemeinschaftliche Eigentum zu sanieren.
Besteht Sanierungsbedarf, ist aber die Gebäudesubstanz noch nicht gefährdet, kann eine Sanierungspflicht der Wohnungseigentümergemein-schaft nur aufgehoben werden, indem durch eine Änderung der Teilungserklärung der Nutzungszweck der betroffenen Einheiten geändert wird und die betroffenen Einheiten entsprechend dem geänderten Nutzungszweck trotz Sanierungsbedarf zweckentsprechend genutzt werden können.
2. Ein Anspruch der Wohnungseigentümer auf Anpassung der Teilungserklärung im Sinne der Änderung des Nutzungszwecks (beispielsweise von der Nutzung von im Souterrain belegenen Teileigentumseinheiten als Ladengeschäfte in die Nutzung als Kellerraum) stellt einen äußerst gravierenden Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Eigentümer dar, der nur als ultima ratio in Ausnahmefällen und gegen Ausgleichszahlungen in Betracht gezogen werden kann und der voraussetzt, dass die Kosten der Sanierung des Gemeinschaftseigentums völlig außer Verhältnis zu dem erzielbaren Nutzen für die Gebäudesubstanz im Allgemeinen und die betroffenen Teileigentümer im Besonderen stehen.
Die Parteien des Rechtsstreits sind die Mitglieder einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Das Objekt der Gemeinschaft besteht aus einem im Jahr 1890 errichteten Gebäude, das im Jahr 1986 in 12 Wohnungen und 3 Teileigentumseinheiten aufgeteilt worden ist. Die Kläger sind die Eigentümer der 3 Teileigentumseinheiten. Diese sind im Souterrain des Gebäudes belegen und sind in der Teilungserklärung als „Laden“ beziehungsweise „Büro“ bezeichnet. Konkret genutzt werden die Einheiten als Naturheilpraxis, Künstleragentur und Kommunikationsagentur.
Nach einem Gutachten eines Ingenieurbüros und einem weiteren Gutachten eines Architekten beruhen die Durchfeuchtungen der Einheiten auf einer fehlenden außenseitigen Sockelabdichtung, einer fehlenden Horizontalsperre und auf im Mauerwerk eingelagerten Salzen.
In einer Eigentümerversammlung vom 31.03.2015 wurden die Anträge (TOP 2 a) auf Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden und (TOP 2 b) auf die Instandsetzung durch Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk sowie Aufbringung einer Vertikalsperre auf den erdberührten Außenwänden mehrheitlich abgelehnt. Stattdessen wurde mehrheitlich beschlossen (TOP 2 f), ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Klage richtet sich gegen die Beschlüsse zu TOP 2 a, 2 b und 2 f. Die Kläger beantragen, die Beklagten zu verurteilen, den Beschlussanträgen zu TOP 2 a und TOP 2 b zuzustimmen bzw. eine gerichtliche Beschlussersetzung vorzunehmen. Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen, das Landgericht hat der Berufung der Kläger stattgegeben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten weiterhin die vollumfängliche Klageabweisung.
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Trotz isoliert betrachtet hoher Sanierungskosten von 300.000,00 € hat der BGH eine Sanierungspflicht der Wohnungseigentümer angenommen.
Der zu TOP 2 a angestrebte Grundlagenbeschluss über die Sanierung der Feuchtigkeitsschäden musste durch das Gericht ersetzt werden. Denn die Kläger hatten einen Anspruch auf Sanierung des Gemeinschaftseigentums. Nach § 21 Abs. 4 WEG können die Kläger grundsätzlich verlangen, dass das gemeinschaftliche Eigentum jedenfalls in einem solchen baulichen Zustand gehalten wird, dass das Sondereigentum zu dem in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweck genutzt werden kann. Weist das Gemeinschaftseigentum gravierende bauliche Mängel auf, die die nach Teilungserklärung zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten erheblich beeinträchtigen oder gar ausschließen, hat die Eigentümergemeinschaft eine sofortige Instandsetzung zwingend zu veranlassen. Der einzelne Wohnungseigentümer kann die entsprechende Sanierung nach § 21 Abs. 4 WEG verlangen. Nach den eingeholten Gutachten geht es im vorliegenden Fall um entsprechende gravierende bauliche Mängel. Da die Ursache der Mängel im Gemeinschaftseigentum liegt, ist die Sanierung die Aufgabe aller Wohnungseigentümer. Da die Teileigentumseinheiten nach der Teilungserklärung als Büro bzw. Laden genutzt werden dürfen, handelt es sich bei ihnen ebenso wie bei Wohnungen um Aufenthaltsräume für Menschen. Massive Durchfeuchtungen solcher Räume muss der Teileigentümer auch dann nicht hinnehmen, wenn ein Schimmelbefall noch nicht aufgetreten sein sollte. Daran ändert sich nach Auffassung des BGH auch unter dem Gesichtspunkt nichts, dass es sich um Souterraineinheiten in einem Altbau handelt.
Aus den oben in Ziffer 2. genannten Gründen besteht kein Anspruch der beklagten Wohnungseigentümer auf Anpassung der Teilungserklärung gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 WEG. Das hat der BGH im entschiedenen Fall offengelassen, weil der entsprechende Anspruch nicht Verfahrensgegenstand war. Er hat aber deutlich gemacht, dass die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs, der ultima ratio ist, im vorliegenden Fall nicht gegeben sein dürften. Denn die Feuchtigkeitsschäden können mit dem Sanierungsaufwand von 300.000,00 € nachhaltig beseitigt werden. Die Kosten stehen daher nicht völlig außer Verhältnis zu dem erzielbaren Nutzen für die Gebäudesubstanz im Allgemeinen und die drei Teileigentumseinheiten der Kläger im Besonderen.
Eine Beschlussersetzung war auch in Bezug auf TOP 2 b nach Auffassung des BGH erforderlich. Denn das Landgericht ist auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nur das im Beschlussantrag vorgesehene Sanierungsverfahren ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach. Nähere Einzelheiten dazu waren einer Sanierungsplanung vorzubehalten.
Der Beschlussanfechtungsklage der Kläger gegen den TOP 2f. war stattzugeben, weil eine weitere Verzögerung durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ordnungsgemäßer Verwaltung widersprach, weil dadurch die erforderliche Sanierung nur herausgezögert werden würde. [BGH, Urt. v. 04.05.2018 – Az. V ZR 203/17; zitiert nach der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 86/2018]
Praxistipp:
Wer immer in eine Bestandsimmobilie investieren will – das gilt ganz besonders für Altbauten aus dem 19. Jahrhundert und älter, aber auch für Gebäude aus den 50iger bis 70iger Jahren des 20. Jahrhunderts -, sollte seine Kaufentscheidung erst nach einer fachgerechten Begutachtung der Bausubstanz treffen.
Auch und gerade beim beabsichtigten Erwerb einer Wohnungs- oder einer Teileigentumseinheit ist das, wie der vom BGH entschiedene Fall zeigt, zu beherzigen. Denn anders als beim Erwerb einer Immobilie zu Alleineigentum wird eine wohlmöglich sehr kostenaufwendige Sanierungsentscheidung in der Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft durch die Mehrheit ihrer Mitglieder getroffen. Für einen Wohnungs- oder Teileigentümer, dessen Einheit von baulichen Mängeln des Gemeinschaftseigentums besonders betroffen ist, mag es vorteilhaft sein, wenn die Sanierungskosten auf alle Schultern verteilt werden, zumal jeder Wohnungs- oder Teileigentümer nach §§ 21 Abs. 4 und 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG einen Anspruch auf ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hat, was grundsätzlich auch dann gilt, wenn er als Anspruchsteller im besonderen Maße von einer solchen Sanierung profitiert.
Der aus dem Bestehen einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft wohlmöglich resultierende Vorteil der Verteilung der Sanierungskosten auf mehrere Schultern wird im Ergebnis aber nur als solcher wahrgenommen, wenn der Erwerber einer solchen Einheit seine Kaufentscheidung in Kenntnis vorhandener Mängel getroffen hat und auch in der Lage ist, den voraussichtlichen Sanierungsaufwand anteilig zu finanzieren.
Ein Anspruch auf Anpassung der Teilungserklärung im Sinne der Änderung des Nutzungszwecks einer Teileigentumseinheit wegen unverhältnismäßig hoher Sanierungskosten wird nur in absoluten Ausnahmefällen einmal gegeben sein; auf eine solche Möglichkeit kann der Erwerbsinteressent realistischerweise nicht spekulieren.
03. November 2013 Baurecht, Immobilienrecht, Wohnungseigentumsrecht
Wem gehören die Wohnungseingangstüren zur Eigentumswohnung – dem Wohnungseigentümer oder der Eigentümergemeinschaft? Mit dieser seit langem streitigen Frage hat sich der Bundesgerichtshof befasst. Danach gilt: 1. Wohnungseingangstüren in einer Wohnungseigentümergemeinschaft stehen im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer, sie sind kein S
28. August 2015 Wohnungseigentumsrecht
In dem entschiedenen Fall hat der Bundesgerichtshof auf die Klage einer Wohnungseigentümergemeinschaft die nächtliche Nutzung einer als „Laden“ ausgewiesenen Teileigentumseinheit als Gaststätte untersagt. Der beklagte Teileigentümer hatte im Jahr 1995 eine Teileigentumseinheit erworben, die in der Teilungserklärung als „Ladenraum“ bezeichnet ist. Darin betreibt sein Ne
13. Januar 2016 Wohnungseigentumsrecht
Die zu einem Teileigentum gehörenden, im Souterrain gelegenen und in der Teilungserklärung als Hobby-, Vorrats- und Kellerräume sowie Flure ausgewiesenen Räume werden seit Jahren, zuletzt zweimal nach dem Jahre 2007 (neu) als Wohnraum vermietet. Nach Erwerb eines im Objekt belegenen anderen Sondereigentums im Jahre 2007 verlangt die Klägerin Unterlassung de
18. Dezember 2017 Baurecht, Wohnungseigentumsrecht
Kann die Wohnungseigentümergemeinschaft für die Zeit nach der gescheiterten Abnahme des Gemeinschaftseigentums und entsprechender Beschlussfassung der Eigentümerversammlung die Erstattung von bislang aufgelaufenen Kosten der Verwaltung, Instandhaltung und Instandsetzung vom Bauträger verlangen? Der Fall: In den vom Bauträger vorformulierten Erwerbsverträgen übe
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